Abstract
1886, als Theodor Fontane diese Überlegung anstellte, konnte er nicht ahnen, wie sehr das Wechselspiel von Realität, Fiktion und Imagination die Erzählforschung des 20. Jahrhunderts beschäftigen sollte. Denn selbst wenn man bestreitet, dass Romane ›echte‹ Erkenntnisse vermitteln, kommt man nicht umhin festzustellen, dass sie unser Welt- und Selbstbild nachhaltig prägen, und dass Leseerfahrungen Lebenserfahrungen sind. Fragt man nach der Ursache dieser Wirkung, lautet eine schlüssige Antwort, dass wir selten einen so intensiven und intimen Umgang mit einem anderen Menschen haben wie mit dem Helden eines Romans. Tatsächlich kennen wir so manche Romanfigur besser als diesen oder jenen entfernten Verwandten und Bekannten, vielleicht sogar besser als uns selbst.