

Heimat im Glauben. Gelungenes Leben
über religiöse Glücksvorstellungen
pp. 389-405
in: Joachim Klose (ed), Heimatschichten, Berlin, Springer, 2013Abstract
Im 19. Jahrhundert herrschte bei deutschen Denkern ein starker Glücksverdacht. Wer über das Glück sprach, geschweige denn glücklich war, stand im Geruch, naiv, kindlich, vom Leben ausnahmsweise verschont zu sein. "Der Mensch strebt nicht nach Glück; nur der Engländer thut das", höhnte Nietzsche über die freimaurerisch inspirierte neu-englische Verfassung mit ihrem "Recht auf Verfolgung des Glücks". Aber für den Kontinentaleuropäer schien das Leben keineswegs auf Erfüllung hin entworfen, jedenfalls nicht in seiner großen Linie, die in einer Abwärtsbewegung zu äußerer und innerer Krankheit und zu Tod abfällt. Auch die Jugend, die eigentlich für die glückhaft aufsteigende Kraft steht, "genießt" in der Romantik ihre eigene Trauer und ihr eigenes Versagen. Eine "Glückshaut" gibt es eben nur im Märchen; das Leben selbst ist Unglückshaut. Schopenhauer faßte zusammen: "Es gibt nur einen angeborenen Irrtum, und es ist der, daß wir da sind, um glücklich zu sein."