Die Essays

pp. 67-76

in: Matthias Luserke, Robert Musil, Stuttgart, Metzler, 1995

Abstract

Die vierunddreißig Essays waren zu Lebzeiten Musils in Zeitschriften und Zeitungen weit verstreut erschienen, die zweiunddreißig essayistischen Fragmente größtenteils nur wenigen bekannt. Seit 1978 liegen Essays und Fragmente zusammen im achten Band der Gesammelten Werke vor. Der Text Das Unanständige und Kranke in der Kunst (vgl. GW 8, S. 977–983), am 1. März 1911 im Pan veröffentlicht, ist Musils erster publizierter Essay. Thema und Inhalt sind programmatisch für sein Schreiben. Musil wendet sich insbesondre gegen die gesellschaftliche und kunstkritische Tabuisierung von Sexualität in der Kunst, vor allem der Dichtkunst. Dem hält Musil entgegen, daß Kunst nicht nur das vermeintlich Unanständige und Verwerfliche darstellen, »sondern auch lieben dürfe« (ebd., S. 979). Musil hebt die Bedeutung der Kunst für die gesellschaftliche Triebregulierung hervor, denn das Begehren, das in (von der Produktionsseite her gesehen) und auf (von der Rezeptionsseite her gesehen) die künstlerische Darstellung geleitet werde, benötige keine reale Befriedigung mehr. Nach Musils funktionsanalytischer Deutung der Aristotelischen Katharsis, ist die reinigende Wirkung von Kunst die »automatisch entsinnlichende Wirkung« (ebd., S. 980).